Amtliche Bekanntmachung zur Einschränkung des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs vom 30.08.2022

Amtliche Bekanntmachung Landratsamt Göppingen

Das Landratsamt Göppingen als untere Wasserbehörde erlässt aufgrund §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1, 80 Abs. 2 Nr. 3 und 82 Abs. 1 des Wassergesetzes für Baden-Württemberg (WG) in Verbindung mit § 25 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und § 35 Satz 2 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) für das Gebiet des Landkreises Göppingen folgende

Allgemeinverfügung

zur Ausübung des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs zum Schutz des Ökosystems Oberflächengewässer.

Der Gemeingebrauch gemäß § 20 des Wassergesetzes für Baden-Württemberg (WG) wird wie folgt eingeschränkt:

  • Der Gebrauch sämtlicher oberirdischer Gewässer im gesamten Landkreis Göppingen zum Baden, Schöpfen mit Handgefäßen, Tränken, Schwemmen und zu ähnlichen unschädlichen Verrichtungen sowie die Entnahme in geringen Mengen für die Land- und Forstwirtschaft und den Gartenbau (Gemeingebrauch) wird hiermit untersagt.
  • Die untere Wasserbehörde kann auf Antrag eine widerrufliche Ausnahmeerlaubnis von der Untersagung des Gemeingebrauchs erteilen, soweit eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit ausgeschlossen ist, keine nachteiligen Auswirkungen auf die Ordnung des Wasserhaushalts und den Schutz der Natur zu erwarten sind oder wenn die Regelungen zu einer unbilligen Härte führen würden.
  • Die sofortige Vollziehung dieser Allgemeinverfügung wird hiermit angeordnet.
  • Die Allgemeinverfügung tritt am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft und gilt zunächst bis 30.09.2022.

Hinweise

Die Allgemeinverfügung mit Begründung kann im Landratsamt Göppingen, Umweltschutzamt, Lorcher Str. 6, 73033 Göppingen, Zimmer Nr. C 122 zu den üblichen Öffnungszeiten eingesehen werden.

Zuwiderhandlungen gegen diese Allgemeinverfügung stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit Geldbuße geahndet werden.

Über den Inhalt dieser Allgemeinverfügung wurden das für den Landkreis Göppingen zuständige Polizeipräsidium sowie die Ortspolizeibehörden der Städte und Gemeinden im Geltungsbereich informiert.

Der Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung hat keine aufschiebende Wirkung. Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann beim Verwaltungsgericht Stuttgart, Augustenstraße 5, 70178 Stuttgart, ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden. 

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch beim Landratsamt Göppingen eingelegt werden.

Begründung

Rechtsgrundlage dieser Allgemeinverfügung sind die §§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 1, 80 Abs. 2 Nr. 3 und 82 Abs. 1 Wassergesetz für Baden-Württemberg (WG) i. V. m. § 25 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) sowie § 35 Satz 2 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG).
Nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 WG können die Wasserbehörden aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere der Ordnung des Wasserhaushalts, der Sicherstellung der Erholung, des Schutzes der Natur oder der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung die Ausübung des Gemeingebrauchs regeln, beschränken oder verbieten.

Seit der erstmaligen Einschränkung des Gemeingebrauchs an oberirdischen Gewässern durch Allgemeinverfügung vom 21.07.2022, in Kraft getreten am 27.07.2022, hat sich die Situation an den oberirdischen Gewässern im Landkreis Göppingen nicht verbessert. An den Gewässern im Landkreis herrscht weiterhin Niedrigwasser. Die Abflüsse in den Gewässern befinden sich trotz der Regenfälle am 26. und 27.08.2022 nach wie vor deutlich unter dem Mittelwert niedrigster jährlicher Abflüsse (MNQ).

Eine nachhaltige Entspannung der Niedrigwasserlage ist nicht in Sicht. Hierfür wären länger andauernde und flächenhaft ergiebigere Niederschläge erforderlich. Nach den Prognosen des Wetterberichts für die nächsten 7 Tage sind keine umfangreichen Niederschläge vorhergesagt, so dass die Niedrigwassersituation in den Gewässern weiter anhalten wird. Insbesondere die für den 31.08.2022 vorausgesagten Niederschläge können das diesjährige Niederschlagsdefizit über die Sommermonate nicht ausgleichen. Es wird damit gerechnet, dass alle Gewässerpegel im Landkreis nach einem kurzzeitigen Anstieg wieder unter MNQ fallen.

Auch die weiteren Vorhersagen lassen keine grundlegende Änderung der derzeitigen Abflusssituation im Filseinzugsgebiet erwarten, so dass sich die Wasserstände in den Oberflächengewässern voraussichtlich nicht vor Ende September 2022 stabilisiert haben werden.

Durch die geringe Wasserführung drohen nicht nur dem Fischbestand, sondern insbesondere auch sämtlichen im Gewässer lebenden wassergebundenen Tieren und Pflanzen gravierende Schäden.

Wasserentnahmen können das Abflussregime beeinträchtigen und insbesondere in Niedrigwassersituationen negative Einflüsse auf das Ökosystem des Gewässers haben und das Erreichen eines guten ökologischen Zustands oberirdischer Gewässer nach § 27 WHG gefährden. Die ungeregelte und erlaubnisfreie Entnahme von Wasser aus den Oberflächengewässern würde die dargestellten Gefahren zusätzlich erhöhen und die Selbstreinigungskraft der Gewässer verschlechtern.

Aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere der Ordnung des Wasserhaushalts und des Schutzes der Natur ist die Erneuerung der Allgemeinverfügung und damit die über den 31.08.2022 hinaus andauernde Beschränkung des Gemeingebrauchs geboten. Die Beschränkung des Gemeingebrauchs ist vorliegend geeignet, die dargestellten Gefahren abzuwenden und die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts, als Lebensgrundlage des Menschen, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, sowie als nutzbares Gut zu schützen. Sie ist auch dringend erforderlich, da weniger einschneidende Maßnahmen ausscheiden. Mildere Mittel als die vorübergehende Beschränkung des Gemeingebrauchs stehen vorliegend nicht zur Verfügung. Schließlich wiegt die zeitlich befristete und damit vorübergehende Beschränkung des Gemeingebrauchs vorliegend weit weniger schwer als die möglichen Auswirkungen einer ungeregelten Entnahme von Wasser auf das Ökosystem Oberflächengewässer. Die weiter andauernde vorübergehende Beschränkung des Gemeingebrauchs ist damit auch unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen, dem Interesse des Einzelnen an der unbeschränkten Ausübung des Gemeingebrauchs einerseits und den Interessen der Allgemeinheit an einem intakten Ökosystem Oberflächengewässer andererseits, angemessen.
 
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgte gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO). Danach kann der Sofortvollzug angeordnet werden, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten ist. Der umgehende Schutz der durch die Trockenheit bedrohten Tier- und Pflanzenwelt sowie die Aufrechterhaltung des Ökosystems Wasser liegen eindeutig im öffentlichen Interesse. Es ist daher nicht vertretbar, dass durch die Einlegung von Rechtsmitteln bestehende oder neue Wasserentnahmen getätigt werden können, die zu einer weiteren Verschlechterung der Selbstreinigungskraft und des Mindestwasserabflusses der Gewässer und der Lebensbedingungen im Naturhaushalt führen. Etwaige Einzelinteressen haben sich daher dem öffentlichen Interesse unterzuordnen, da die geforderten Maßnahmen keinen weiteren Aufschub zulassen.

Göppingen, den 30.08.2022

gez.

Jochen Heinz
Erster Landesbeamter